LAUDATIO
auf
Boniface Mabanza Bambu
„Kwathi-ke ngokwesithathu
kwaba yinsizwa
– entsha, ekhaliphilé, ekholiwe! …“
„Und das dritte Mal
war es einer
– jung, wach, gscheit, gläubig! …“
So oder ähnlich wird mensch vom heutigen Tag zu erzählen wissen, an dem das Ökumenische Netzwerk Initiative Kirche von unten (IKvu) auf dem 35. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Stuttgart den “Dorothee Sölle-Preis für aufrechten Gang” an Dr. Boniface Mabanza Bambu verlieh.
Ich beglückwünsche das Ökumenische Netzwerk Initiative Kirche von unten zu dieser Entscheidung; ich gratuliere dir herzlich, lieber Boniface, lieber Bambu, zu dieser Auszeichnung. Meine Damen und Herren, Ihr Lieben, freut euch mit mir. Es ehrt mich, die Laudatio halten zu dürfen:
*
Die eine ist eine Persönlichkeit
aus der Generation vor mir – aus der Generation meiner Eltern,
der andere
aus der Generation nach mir – der Generation meiner Kinder
– Dorothee Sölle, Boniface Mabanza.
Mit meinen Fragen bewege ich mich zwischen den beiden Generationen und versuche, hinzuhören, aufzuhorchen, mitzureden und im Austausch zu bleiben.
Durch dich, Bambu, lerne ich Dorothee Sölle neu, ja besser begreifen;
und durch Dorothee Sölle lerne ich dich näher kennen,
durch euch beide werde ich neugierig und versuche,
meine Welt etwas anders zu beäugen und vielleicht auch zu begreifen:
In dem, was du, lieber Boniface, sagst, und in dem, wofür du stehst,
lässt du erkennen, – so nehme ich es wahr –,
dass es für dich sehr wichtig ist,
dass mensch stets nach der Ursache sucht und diese im Blick behält, wenn die Mühe in einem Konfliktfall zu einer guten Lösung führen soll.
Du stellst dich – in dem, was du tust und wofür du stehst –
ebenfalls der Aufgabe,
auszuloten und nachvollziehbar zu erläutern,
was der Glaube an Gott und das Reden von Gott sein und bewirken kann angesichts des derzeitigen Zustandes von weiten Teilen der Welt,
[des Zustandes] den du `die Krise des Kapitalismus´ nennst.
Damit sprichst du genau die Frage an, auf die die junge Dorothee Sölle einst den Finger legte – die Frage, die sie zeitlebens nicht mehr in Ruhe ließ:
Dorothee Sölle hatte noch im Ohr und auf ihren Lippen die Willensbekundung von 1945 „Nie wieder Krieg!“ und rang noch mit der Frage, was das für sie und für Menschen ihrer Generation bedeute, „Deutsche zu sein nach Auschwitz“ – da wurde in Nachkriegsdeutschland schon gerade wieder die Wiederbewaffnung beschlossen. Dorothee Sölle dazu:
`Der Versuch, die Katastrophe von Nationalsozialismus und Krieg zu verklären und möglichst bald aus dem Bewusstsein verdrängt zu haben, erzürnte mich und einige meiner Generation sehr; er veranlasste uns dazu, tiefgründig klären zu wollen und zu entscheiden, was für uns das Glauben an Gott und das Reden von Gott nach Auschwitz denn bedeuten kann und soll.
*
Lieber Boniface,
Menschen meiner Generation und ich begegnen dir,
hören und sehen dich mit Fragen und Herausforderungen ringen, die vielen auf der Seele liegen und auch uns umtreiben.
Wir reihen uns mit dir unter jene ein,
die ihr Vertrauen auf Gott setzen, und reden gemeinsam auch so mit Dorothe Sölle im Gebet:
“Du hast mich geträumt, Gott//
wie ich den aufrechten Gang übe//”
*
Wir wachsen miteinander in eine Gemeinschaft von Fragenden und Suchenden hinein,
die sich nicht mehr kritik- und tatenlos damit abfinden will,
dass allenthalben Menschen an Schaltstellen der Macht sich anmaßen und so gebärden,
als dürften und könnten sie
unbestraft Menschen entmenschlichen und Lebensgrundlagen zerstören.
*
In dieser Gemeinschaft von Hörenden und Betenden – im Bekennen – sind viele von uns mit dir unterwegs
– hin und wieder auch bis nach Kinshasa und weiter –
und versuchen zu ergründen,
unter welchen Bedingungen die Menschen dort leben,
mit welchen Fragen sie ringen und, – vor allen Dingen –
wie grausam Menschen aus Europa Menschen deines Landes, des Kongo,
lange schon vor der Berliner Kongo-Konferenz 1884/1885
bedrängt und verfolgt haben,
ihnen den Boden unter den Füßen entzogen
und ihr Land nach Strich und Faden ausgeplündert haben
und heute noch ausbeuten.
Die Ermordung des ersten gewählten Premierministers deines Herkunftslandes, Patrice Lumumba, vor 54 Jahren,
die eine zusätzliche Krise heraufbeschwor,
steht in einer langen Kette jener Versuche,
Menschen gegeneinander auszuspielen,
um – selbst um jeden Preis – Kapital daraus zu schlagen.
Kolonialismus, Ausbeutung, Neokolonialismus sind die Markenzeichen dieser bösen Geschichte.
Der Glaube an Gott und das Reden von Gott hat für dich diesen Hintergrund und diesen Ausgangspunkt – dein Kontext und dein Bezugsrahmen sind uns der Spiegel, in dem wir uns ungeschminkt wiedererkennen. Im Austausch mit dir wird uns immer bewusster, wie tief wir in Europa heute noch immer in die Machenschaften verflochten sind, die Menschen insbesondere im Nachbarkontinent Afrika entmenschlichen.
*
„Politische Theologie“ nannte die junge Dorothee Sölle jene Gedankengänge,
die sie selber im jungen Nachkriegsdeutschland entwerfen und in die Diskussion mit andern einbringen konnte.
Dieses Fundament hat Dorothee Sölle mit der Zeit feministisch, ökumenisch und befreiungstheologisch vertieft und erweitert.
Wir lernen bei dir, Bambu, ein wesensgleiches Geschehen kennen.
Du umschreibst es als
„Glaubenskommunikation im Kontext von Ungerechtigkeit
– eine ökumenische Theologie in Befreiungsprozessen.“
Darin sind Menschen aktiv, die suchen, fragen, ringen, träumen, beten, feiern. Theologie geschieht.
Theologie – in der von dir mitgetragenen Glaubenskommunikation – ist
nicht bloß Gerede,
weder Geschwafel noch Pfaffengeschwätz.
Theologie ist Wort und Tat, hat Hand und Fuß.
Die Schrittfolge Aufbrechen – Ankommen – Teilhaben – Mitleiden kennzeichnet deine Theologie.
*
°Das, meine Damen und Herren, Ihr Lieben,
ist für mich der wichtigste Anstoß,
den ich dem Austausch und der Gemeinschaft
mit Mitchristinnen und Mitchristen der Generation meiner Eltern
und der Generation meiner Kinder
– Dorothee Sölle, Boniface Mabanza –
verdanke,
°der Denkanstoß nämlich,
der mein Gesichtsfeld, meinen Horizont, erweitert,
mich mit Menschen in anderen mir bis dahin fremden Kontexten zusammenführt
und mich und andere, uns, auch dazu befähigt,
miteinander
Ursachen von Unrecht und Zerstörung zu erkennen,
aufzudecken
und zu bekämpfen
und dás aufzuspüren und zu versuchen,
was das Leben fördert
und die Erde bewahren helfen kann:
Theologie nach dem Zeitalter des Kolonialismus – nach Auschwitz – nach Gaza!
*
Üben wir weiter den aufrechten Gang, Ihr Lieben, und denken wir eines Tages gerne daran zurück:
„Kwathi-ke ngokwesithathu
kwaba yinsizwa
– entsha, ekhaliphilé, ekholiwe! …“
Ngiyabonga! Vielen Dank!
Ben Khumalo-Seegelken, Stuttgart, 4. Juni 2015.
>> Vorträge und Vorlesungen im Rückblick
Ich danke Dir für diese Rede, lieber Ben. Ich habe D.Sölle als Student an einem Seminar-Wochenende 1969 kennengelernt. Sie hatte gerade das Buch “Stellvertretung” veröffentlicht und würde überall verteufelt – auch in der Kirchenleitung der EKiR. Sie referierte den Ansatz ihres Buches. In der anschließenden Diskussion sagte eine damals schon ältere Kommilitonin: ” Frau Professor, jetzt haben Sie mir meinen ganzen Glauben kaputt gemacht.” Daraufhin ging D.Sölle von ihrem Votragspult zu dieser Frau, legte ihre Hand auf deren Schulter und sagte: “Wenn ich mit meinem Vortrag ihren Glauben zerstört habe, dann sagen Sie sich, die Frau Sölle hat für mich Unsinn geredet. Jemandem den Glauben zu nehmen ist nicht Ziel meines Buches.” … Es ist dieser völlige “Machtverzicht” gewesen, der mich dann dazu gebracht hat, alle weiteren Bücher von ihr zu lesen, mich der kontextuellen politischen Theologie zu öffnen und dann Jahre später im Predigerseminar z.B. das Konzept der “politischen Predigt” von Allan Boesak mit Vikarsgruppen zu arbeiten… Sei behütet! Herzliche Grüße, Dein Klaus Hahn.
Danke, Ben, Du sprichst mir aus der Seele!
Liebste Grüße und Kraft, in Deiner Arbeit fortzufahren!
Reinhild
Eine sehr gute Rede. Und ich freue mich sehr für Boniface, den wir mehrfach in Oldenburg im FORUM und in der KHG vor Jahren zu Gast haben durften.
Ich habe mich gefreut, an der Laudatio Anteil nehmen zu dürfen über diesen Weg. DANKE. Konnte nämlich kurzfristig doch nicht nach Stuttgart kommen.
Herzliche Grüße
Klaus Hagedorn
Klaus Hagedorn, Pastoralreferent
Seelsorger im FORUM
Hausleitung
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Lieber Ben
danke für die Beteiligung an Deiner Laudatio für den Sölle-Preisträger; Du und Ubbo habt den Aufrechten Gang immer wieder geübt, erfolgreich geübt, wie ich meine, dafür manchen Preis gewonnen und bezahlt.
Durch Dich bin ich auch ein wenig über Dorothee Sölle und ihr Credo informiert; aber: das Schwimmen gegen den Strom ist mühsam und macht einsam und schweißt nur die ganz harten Kämpfer zusammen.
Sölles Bruder Thomas Nipperdey hat über die Frage: “Kann Geschichte objektiv sein?” gesagt, dass Historiker auch ihre Perspektiven überprüfen, dass sie sich auch von ihren eigenen Perspektiven distanzieren (müssen), und dass Geschichte in dem Sinn objektiv sein kann (objektiver und weniger objektiv).
Für Deine Hilfe zum Perspektivwechsel danke ich Dir, und wir senden Euch beiden sehr herzliche Grüße Helga und Klaus
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