Symbolpolitik

„Konservative klammern sich an das Wort `Ehe´ wie an einen Rettungsring. Sie werden sich anpassen müssen. Das Bundesverfassungsgericht wird sie mit Urteilen dazu zwingen“, meint Daniela Vates* im Leitartikel einer überregionalen Zeitung heute [27.05.2015] und fährt fort:

Irgendwann werden auch in Deutschland alle heiraten können und dabei vom Gesetzgeber auch gleichbehandelt werden, das ist klar. Auch Frau und Frau und Mann und Mann. Die Frage ist nur wann. Sofort wäre das möglich, wen es der Bundestag beschließen würde. Aber da sperren sich die Unionsparteien.

Es geht nicht allein um die Sache, sondern vor allem auch um Symbolpolitik: Die Konservativen haben an Gewicht verloren, sie klammern sich nun an das Dreibuchstabenwort Ehe wie an einen Rettungsring. Sie sagen, die Ehe müsse geschützt werden, weil sie im Grundgesetz stehe. Das stimmt und Hintergrund dafür ist, dass es wertgeschätzt werde soll, wenn sich zwei Menschen aufeinander festlegen, sich versprechen, füreinander da zu sein. Dafür gibt es dann steuerliche und rechtliche Vorteile. Und im Übrigen auch einige Pflichten.

… eine Ehe für alle!

Das Geschlecht der Ehepartner wird allerdings im Grundgesetz nicht festgelegt. Sehr wohl steht dort hingegen, weiter vorne und damit prominenter, der Gleichheitsgrundsatz. Und der ist der Kern der Debatte: Es geht ums Heiraten, es geht aber vor allem darum, niemanden wegen seiner sexuellen Orientierung zu diskriminieren.  Deswegen ist auch der Begriff der `Homo-Ehe´ bei genauer Betrachtung falsch: Es geht nicht um eine besondere Ehe, um besondere Rechte für gleichgeschlechtliche Paare, sondern um eine Ehe für alle.

Es hat schon etwas Absurdes: Jahrelang hat man sich in der Union darüber beklagt, dass die Ehe an Gewicht verliert. Es galt als Zeichen für den moralischen Niedergang der Gesellschaft. Kanzlerin Angela Merkel fühle sich – nach jahrelangem trauscheinlosem Zusammenleben mit ihrem Partner – zur Heirat verpflichtet, als sie in der CDU an die Spitze stieg. Und Schwulen und Lesben soll dieser Weg verwehrt sein, nur weil sich manche  nicht daran gewöhnen können, dass ein Mann einen Mann küsst oder eine Frau eine Frau?

… eine  `Fruchtbarkeitsbescheinigung´ vorlegen etwa? 

Ehen seien auf Kinder ausgelegt, also auf die Paarung von Mann und Frau, wird argumentieren. Aber müsste der Standesbeamte dann nicht vor der Treueschwur eine Schwangerschafts- oder mindestens eine Fruchtbarkeitsbescheinigung verlangen? Müssten dann nicht heterosexuelle Ehen, die aus welchem Grund auch immer kinderlos geblieben sind, wieder gelöst werden?

Die Unionsparteien werden sich anpassen müssen, sie werden dazu gezwungen werden. Landesweite Referenden wie in Irland gibt es in Deutschland zwar nicht. Aber die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht in diese Richtung und das Gericht wird weitere Urteile fällen. Schritt für Schritt werden Gesetze durchforstet und angepasst. 150 Ungleichbehandlungen in 54 Gesetzen haben die Grünen ausgemacht. 23 davon sollen am heutigen Mittwoch [27.05.2015] durchs Kabinett beseitigt werden.

Um Eigentumsrecht auf Bauernhöfen klarzustellen, wird dabei beispielsweise dem ohnehin schon entzückenden Begriff des Ehegattenhofs der Begriff Lebenspartnerhof hinzugefügt. Neben der wortschöpferischen Akrobatik ist das vor allem ein mühsamer Weg – und keiner der zwingend nötig wäre, weil die Stimmung auch in der Union sich längst gewandelt hat. Würde der Bundestag in freier Abstimmung über die völlige rechtliche Gleichstellung Homosexueller entscheiden, es gäbe eine Mehrheit, ganz locker.

In Irland hat sich die katholische Kirche nach dem Referendum einen Realitätscheck verordnet. Im wesentlich weniger katholischen Deutschland bleiben die Christlich-Sozialen und die Christlich-Demokratischen hart. Das Nein zur Ehe für alle ist für sie zum Prinzip geworden. Es ist eines der wenigen Themen, bei denen sich Angela Merkel und Horst Seehofer keinen öffentlichen Meinungswandel erlauben, obwohl sie damit gegen die Mehrheitsmeinung stehen. Obwohl sich das Thema leicht zur Bestätigung der eigenen Werte umdefinieren ließe, wenn man weniger darauf achten würde, wer da im Hochzeitsgewand steckt, als darauf, dass überhaupt jemand eines anzieht.

Aber man hat so lange Nein gesagt, da kommt ein Ja schwer über die Lippen. Und der vorgebliche Traditionsflügel schient ideell so verarmt zu sein, dass die Mitsprache bei der Tauscheinverteilung für ihn zur Existenzfrage geworden ist. Also werden Vorurteile geschürt, es wird zum Kulturkampf erhoben, was längst weithin akzeptiert ist.

beschämend

Aus politisch-taktischen Gründen, können Sozialdemokraten und Grüne frohlocken – viel hat ihnen die Union ja sonst nicht gelassen an Themen. Aber die Gleichstellung wird kommen, es ist lediglich eine Frage der Zeit. Die fortgesetzte Zögerlichkeit ist bedauerlich und auch beschämend.

Es gibt allerdings noch eine weitere Baustelle, die bearbeitet werden muss: mehr Recht für Paare, die ohne Trauschien zusammenleben. Vielleich kommt der Tag, an dem die Union verheiratete gleichgeschlechtliche Paare als Vorbild preisen wird. 

*Daniela Vates: „Homo-Ehe als Symbolpolitik“, Leitartikel, Frankfurter Rundschau, 27.05.2015, Seite 11.

 

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Kommentare zu »Symbolpolitik«

  1. […] und theologisch gleichgestellt. Nur die Bezeichnung „Trauung“ ist auch im Bereiche der EKHN bislang allein heterosexuellen Verbindungen vorbehalten […]

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