Bundeskassenwart Scholz braucht eine Strategie, wie er die große Kluft zwischen dem aktuellen Ausgaben- und Investitionsniveau und den gesellschaftlichen Bedarfen überwinden kann, meint Dierk Hirschel* und erläutert:
Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts. Der oberste Kassenwart ist der mächtigste Mann in Merkels Kabinett. In den Koalitionsverhandlungen gelang der SPD ein richtiger Coup. Der rote Juniorpartner schnappte sich das wichtige Finanzressort.
Olaf Scholz übernahm das Ministerium in goldenen Zeiten. Er sitzt auf einer prall gefüllten Staatskasse und kann fast 60 Milliarden Euro verteilen. Nun erklärte Scholz erstmals, was er unter einer soliden, sozial gerechten und zukunftsorientierten Finanzpolitik versteht. Solide bedeutet für Scholz: °Keine neuen Schulden und für schlechte Zeiten vorsorgen. Sozial gerecht ist Finanzpolitik, wenn sie den sozialen Zusammenhalt stärkt und nach Leistungsfähigkeit besteuert. Deswegen fließt das Steuergeld u.a. in Bildung, Gesundheit und Wohnen. Und Zukunftsorientierung heißt mehr öffentliche Investitionen. Folglich wird in den nächsten vier Jahren fast ein Viertel mehr investiert als zuvor.
Der neue Kassenwart ist kein ordoliberaler Hardliner. Er verwendet die Überschüsse für Investitionen und höhere Sozialleistungen, nicht zur Schuldentilgung. Scholz ist auch kein Gegner einer antizyklischen Finanzpolitik. Er will vielmehr Staatseinnahmen und –ausgaben über den Konjunkturzyklus ausgleichen.
Die Schwächen seiner Finanzpolitik zeigen sich erst auf den zweiten Blick. Die Mehrausgaben der großen Koalition reichen hinten und vorne nicht aus, um die großen gesellschaftlichen Bedarfe zu decken. Allein der kommunale Investitionsstau beläuft sich nach Angaben der KFW-Bank auf 126 Milliarden Euro.
Die größte Herausforderung ist ein deutlich höherer Ausgaben- und Investitionspfad. Deswegen ist es ökonomisch unvernünftig und sozial schädlich, an einer Finanzpolitik der „schwarzen Null“ festzuhalten. Dies gilt umso mehr in Zeiten historisch niedriger Zinsen. Doch damit nicht genug. Die schwarz-roten Steuersenkungen lassen die staatliche Einnahmebasis bis 2022 um fast 14 Milliarden Euro schrumpfen.
Scholz braucht eine Strategie, wie er die große Kluft zwischen dem aktuellen Ausgaben- und Investitionsniveau und den gesellschaftlichen Bedarfen überwinden kann. Er sollte kurzfristig für kreditfinanzierte Investitionen werben und mittelfristig die staatliche Einnahmeseite stärken.
Schließlich kann die öffentliche Armut durch eine höhere Besteuerung privaten Reichtums überwunden werden.
*Dierk Hirschel, Chefökonom der Gewerkschaft Verdi
[aus: Frankfurter Rundschau, 08.06.2018]
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