Reaktion auf die EKD-Erklärung: „Vergib uns unsere Schuld“

Mainzer Arbeitskreis Südliches Afrika (MAKSA)

Reaktion auf die EKD-Erklärung: „Vergib uns unsere Schuld“

Es ist erstaunlich, dass – kurz vor der Vollversammlung des Lutherischen Weltbunds (LWB) vom 10. bis 16. Mai 2017 in Windhoek/Namibia – die EKD erstmalig eine Erklärung zum Völkermord im früheren Deutsch-Südwestafrika abgibt, nachdem sie im Gedenkjahr 2004 sich zwar zum Völkermord an den Armeniern und der Verantwortung der Türkei dafür geäußert hat, nicht aber zu ihrer eigenen Verantwortung für den Völkermord im heutigen Namibia. Von der Evangelischen Kirche im Rheinland war sie im Gedenkjahr 2004 ausdrücklich dazu aufgefordert worden – danach zu wiederholten Malen vergeblich von kirchlichen Gruppen wie dem Mainzer Arbeitskreis Südliches Afrika (MAKSA) und der Solidarischen Kirche im Rheinland.

In der Erklärung findet die EKD große und bedeutungsvolle Worte. In der Überschrift wird die fünfte Bitte des Vaterunsers nach Matthäus 6, 12 wiedergegeben. Die EKD bekennt ihre Schuld als „Nachfolgeinstitution des einstigen Evangelischen Preußischen Oberkirchenrats, der seinerzeit im Auftrag aller deutschen evangelischen Landeskirchen handelte“. „Als Evangelische Kirche in Deutschland bekennen wir uns heute ausdrücklich gegenüber dem ganzen namibischen Volk und vor Gott zu dieser Schuld. Wir bitten die Nachfahren der Opfer und alle, deren Vorfahren unter der Ausübung der deutschen Kolonialherrschaft gelitten haben, wegen des verübten Unrechts und zugefügten Leids aus tiefstem Herzen um Vergebung.“

Konkret wird als „große Schuld, die durch nichts zu rechtfertigen ist“ zuvor als einziger Tatbestand genannt, dass „die zu pastoralen Diensten an den deutschen evangelischen Siedlern und Schutztruppen durch den Evangelischen Preußischen Oberkirchenrat entsandten Pfarrer dem von Deutschen verübten Völkermord bis auf wenige Ausnahmen nicht gegenübertraten.“

Die historischen Fakten belegen, dass es zwischen 1900 und 1910 drei Pfarrer waren, die im Auftrag des evangelischen-preußischen Oberkirchenrats im damaligen Deutsch-Südwestafrika tätig waren: Die beiden Windhoeker Gemeindepfarrer Wilhelm Anz und Johannes Hammer sowie der Divisionspfarrer Max Schmidt, die in dem Zeitraum 1900 – 1910 ihren Dienst in Namibia taten. Von „wenigen Ausnahmen“, die sich laut Erklärung der EKD anders als diese drei Pfarrer verhielten, ist nichts bekannt.

Von den deutschen Siedlern, den Kolonialtruppen und deren Befehlshabern, die in dieser Zeit die entstehende deutsche evangelische Gemeinde Windhoek gebildet haben, aus der sich im Laufe der Zeit die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche (DELK) entwickelte, ist in dem Schuldbekenntnis nicht die Rede. Die DELK selbst, eine Partnerkirche der EKD und eine Mitgliedskirche des LWB, deren Entstehung mit dem Völkermord von 1904 – 1908 zusammenhängt, hat bisher noch kein Schuldbekenntnis ausgesprochen.

Für die Verfasser der EKD-Erklärung kommt dem EKD-Studienprozess zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Rolle der Kirchen und Missionswerke während der Kolonial- und der Apartheidzeit eine zentrale Bedeutung zu. Dieser Studienprozess hat in der Zeit von 2007- 2015 stattgefunden und seinen Niederschlag in zwei umfangreichen Sammelbänden mit je über 700 Seiten gefunden. Der damalige Vorsitzende des Rats der EKD. Nikolaus Schneider, sprach in seinem Vorwort zu dem ersten Sammelband als „großen Wunsch“ aus, „dass die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit nicht nur hilft, Vergangenes besser zu verstehen, sondern auch Schuld zu erkennen.“ In der nun vorliegenden EKD- Erklärung nehmen die Verfasser die Formulierung von Schneider auf, schreiben aber anstelle von „Schuld erkennen“ „die Wunden der Vergangenheit zu heilen und eine friedliche und gerechte Zukunft mitzugestalten.“

Das ist bezeichnend. Schon für die Herausgeber des 1. Sammelbands gelten „Fragen von Schuld und Wiedergutmachung“ als „Verengung“. In dem ersten Sammelband kommen die Begriffe „Schuld“ und „Wiedergutmachung“ mit einer Ausnahme überhaupt nicht vor, dagegen wird der Begriff der „Versöhnung“ immer wieder in den Vordergrund geschoben (dazu Markus Braun „Völkermord verjährt nicht. Kommentar zum EKD-Studienprozess zum kolonialen südlichen Afrika, in: Berliner Beiträge zur Missionsgeschichte 17, 2014, S.39).

Einen ähnlichen Vorgang kann man auch bei der vorliegenden Erklärung der EKD feststellen: Nachdem das große Schuldbekenntnis der EKD gegenüber dem „gesamten namibischen Volk und vor Gott“ ausgesprochen und auf Personen und Einrichtungen verwiesen worden ist, die schon vor „fast 50 Jahren“, 1971, ihre Schuld bekannt haben, ist von einer besonderen Schuld der EKD nicht mehr die Rede.

1971 aber waren es, anders als nach der Darstellung der EKD-Erklärung suggeriert wird, nicht Vertreter der EKD, sondern Mitarbeiter der Vereinigten Evangelischen Mission (VEM), einer von der EKD unabhängigen Einrichtung, die ihre Schuld bekannten. 1978 und 1990 folgte die Missionsleitung der VEM. Diese hat als Nachfolgerin der Rheinischen Missionsgesellschaft ihre Mitschuld an Kolonialismus, Rassismus und Apartheid im Rahmen der Unabhängigkeitsfeier im Stadion von Windhoek vor den Repräsentanten des unabhängigen Namibia bekannt. Was den jahrelangen EKD-Studienprozess betrifft, so ist in dem ersten Sammelband vom Völkermord und seinen Konsequenzen für die folgenden Generationen nur am Rand, in dem zweiten überhaupt nicht die Rede.

Ohne dass von Vergebung, Versöhnung und Wiedergutmachung die Rede ist, schreibt die EKD: „Wir sind uns…. der Lasten bewusst, die Nachkommen von Opfern und Tätern tragen. Mit ihnen möchten wir gemeinsam den schwierigen Weg der Benennung, der Heilung und der Überwindung von Traumata und Schuld gehen, so dass zukünftige Generationen ein geheiltes und versöhntes Leben in Namibia und Deutschland führen können.“ Aus dem außerordentlich schwierigen Prozess, der dazu nötig ist, hält die EKD sich heraus. Über entscheidende Fragen zu Wiedergutmachung, Reparationen und ungerechter Landverteilung, die schon seit Monaten im Mittelpunkt der Verhandlungen zwischen den politischen Vertretern von Namibia und Deutschland stehen, verliert sie kein Wort.

Der Präsident des LWB, Bischof Munib Younan, hat sich im Januar diesen Jahres bei einer internationalen Konferenz zur Aktualisierung der Reformation in Wittenberg dafür eingesetzt, dass sich die deutschen Kirchen im Jahr des 500. Jubiläums der Reformation eindeutig zu ihrer Verantwortung im Hinblick auf den Völkermord in Namibia bekennen. Er hat „die deutschen Kirchen aufgefordert, mehr Druck auf die Politik auszuüben. ‘Wir schätzen es, dass das deutsche Volk seiner Verpflichtung zur Wiedergutmachung dem jüdischen Volk gegenüber nachgekommen ist’, sagte er. Es sei jedoch höchste Zeit, dass auch den Herero Gerechtigkeit widerfahre, die ebenfalls Opfer eines von Deutschland initiierten Genozids geworden seien. ‘Dafür sollten sich die deutschen Kirchen im Reformationsjahr einsetzen.’“ (Interview in der Zeitschrift „welt-sichten“, 1. Februar 2017)

Von den gegenwärtigen Partnerschaftsbeziehungen wird in der EKD-Erklärung zwar gesagt, dass sie „Folge und Ausdruck des kolonialen Ursprungs unser Beziehungen“ sind, aber nicht welche besonderen Konsequenzen die EKD aus dieser Schuldgeschichte ziehen will.

Konkret geht es darum, dass die EKD noch immer besondere Verträge mit der DELK unterhält, die sie verpflichten, die DELK durch die Entsendung von Pfarrern und Pfarrerinnen zu unterstützen. In der aktuellen Praxis stammt die Mehrheit der in der DELK tätigen Pfarrer und Pfarrerinnen noch immer aus Deutschland. Bis 2015, dem Jahr der Wahl von Bischof B. Brand, traf das auch auf seine zehn Vorgänger zu. Der MAKSA hat seit 1971 die EKD aufgefordert, diese Separatbeziehungen, die die DELK unterstützen und ihr eine zusätzlich privilegierte Stellung verschaffen, zu beenden. Der LWB hat bei seiner Vollversammlung in Budapest 1987 dasselbe gefordert. Es ist an der Zeit, dass EKD und DELK ihre gegenseitige Abhängigkeit beenden.

Der MAKSA begrüßt die konkreten Handlungsschritte, die von der EKD in der Erklärung formuliert werden, wie

°Völkermord als Völkermord anerkennen,
°eine neue Nutzung der Christuskirche
°eine Neustrukturierung der kirchlichen Beziehungen.

Sie werden in Windhoek bei der Vollversammlung des LWB als konstruktive Schritte gesehen werden. Es sind außerdem Schritte, die schon seit vielen Jahren von kirchlichen Gruppen wie dem MAKSA oder der Solidarischen Kirche im Rheinland gefordert werden.

Für den Mainzer Arbeitskreis Südliches Afrika, 2. Mai 2017
Frauke Heiermann, Oberhausen
Markus Braun, Köln, marx-braun@gmx.de
in Zusammenarbeit mit Gerd Decke, Berlin.

>> pdf-Fassung: Reaktion auf EKD-Erklärung

>>Markus Braun: „Es fehlt an die Bereitschaft zur Wiedergutmachung“

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