Promotionsrecht für Fachhochschulen

In Deutschland sollte auf das Promotionsrecht für Fachhochschulen verzichtet werden, fordert Peter Eckardt*. Er führt aus und begründet:

Immer mehr Menschen streben nach höheren schulischen und universitären Abschlüssen, weil sie sich mit diesen Examen auf dem Arbeitsmarkt bessere berufliche Chancen und ein höheres Ansehen versprechen. Neben den Bachelor- und Masterabschlüssen ist seit Jahren der Doktortitel in Deutschland hochbegehrt, verspricht er doch gerade für Selbständige und leitende Angestellte, für Bischöfe, DAX-Vorstände, Unternehmensberater und Politiker einen enormen Schub an Ansehen und oft auch einen erheblichen finanziellen Vorteil.

Kaum ein Vorstandsmitglied eines großen Unternehmens oder einer wichtigen Verwaltung ist heute ohne diese akademische Würde. Auch der Professorentitel und die Ehrendoktorwürde haben seit langem einen großen Marktwert.

Zur Geschichte: In den zwei Jahrzehnten von 1891 bis 1911 vergaben die Universitäten des Deutschen Reichs jährlich etwa 1200 Doktortitel, in den Jahren 1950 bis 1982 verliehen die westdeutschen Hochschulen jährlich schon 9500 Titel, im Jahre 2013 inflationär 28 000 akademische Doktorwürden.

In der DDR war die Vergabe bis 1990 ähnlich zahlreich Von 1951 bis 1985 vergaben die Hochschulen und die Akademien der DDR 102 000 Doktortitel A und AB, die trotz oftmals erkennbarer wissenschaftlicher Mängel alle durch den Einigungsvertrag in das neue Deutschland hinübergerettet werden konnten. Besonders fleißig waren die Hochschulen der DDR mit den Auszeichnungen zwischen November 1989 und September 1990.

Seit einiger Zeit wird in Deutschland das Thema Promotion an Fachhochschulen – Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) – heftig diskutiert. … Wenn auch zu diesem Promotionsrecht an Fachhochschulen noch vieles offen ist, haben Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein aber schon erste Entscheidungen getroffen, die die Zahl der Promovierenden nach Inkrafttreten der Gesetze oder Richtlinien relativ schnell weiter nach oben steigen lassen wird.

Als erstes Bundesland können die Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) in Hessen seit Jahresbeginn Anträge im Ministerium in Wiesbaden stellen, um forschungsstarke Fächer für ein eigenständiges Promotionsrecht anzumelden. Diese Titelvergabe soll in sogenannten Promotionszentren geschehen. Bisher konnten sich Fachhochschulstudierende nur in Kooperation mit einer Universität oder einer ausländischen Hochschule promovieren lassen, dies betrifft etwa 15 Prozent aller Doktortitel.

Das eigenständige Verleihen der Doktortitel ist aber das Ziel vieler Fachhochschulen. „Wir nehmen damit niemand etwas weg“, so ein FH-Präsident. Es ist bisher geplant, dass mindestens ein Universitätsprofessor / eine Universitätsprofessorin in den Ausschüssen zur Titelvergabe an Fachhochschulen verpflichtend ist. Viele Universitäten empfinden aber schon diese Veränderung als eine Drohung, ihnen das alleinige Promotionsrecht streitig zu machen.

Wenn man die Frage, ob die Voraussetzungen für promotionsangemessene Forschung an Fachhochschulen nach den Standards des Wissenschaftsrates (Positionspapier 2011) als Voraussetzung für eine Titelvergabe gegeben sind, mit Ja beantwortet werden sollte, bleibt die Frage bestehen, ob die Gutachter dieser Dissertationen (forschungsstarke Professoren) an den Fachhochschulen qualitativ dieser Aufgabe gewachsen sind, wenn sie etwa in einigen Bundesländern zu 20 Stunden Lehre in der Semesterwoche verpflichtet sind.

Auch die Einstellungsvoraussetzungen für das Professorenamt an Fachhochschulen können als Voraussetzung für das Promotionsrecht ohne eine weitere qualifizierende Fortbildung sicher nicht immer als gegeben angesehen werden. Ob die erfolgreiche Einwerbung von Drittmitteln allein ein angemessenes Kriterium für das Promotionsrecht ist, kann ebenso bezweifelt werden.

Diese geplante Berechtigung zur Promotion an Fachhochschulen hat auch schwerwiegende Auswirkungen für die deutschen Universitäten. Nicht nur an den Technischen Hochschulen in Deutschland wird die Frage diskutiert, ob die Qualifikationen der Professorenschaft, die dort Dissertationen beurteilen und bewerten, ebenfalls ausreichend sind. Je nach der individuellen Berufung – beispielsweise nach langjähriger industrieller Arbeitstätigkeit – kann diese Fähigkeit ohne eine weitere Qualifizierung ebenfalls angezweifelt werden.

Die Qualität einiger Dissertationen in diesen Bereichen sehen Experten ebenfalls kritisch. Die Beurteilung der Qualität einer Dissertation – auch die Fähigkeit, Plagiate und Ghostwriter zu erkennen – erfordern erhebliche Vorerfahrungen in der Lektüre und Begutachtung von studentischen Hausarbeiten, Bachelor- und Masterarbeiten, ebenso fachspezifische Literaturkenntnisse, wissenschaftstheoretische Diskussionserfahrungen und Sprachfähigkeiten in der Abfassung und Beurteilung akademischer Texte.

Die Bewilligung eines individuellen und eigenständigen Promotionsrechts für Fachhochschulprofessoren/-professorinnen wirft auch die Frage auf, ob die Universitäten ein kollektives Promotionsrecht ihrer professoral Lehrenden noch zu Recht besitzen und man es nicht gegen ein individuelles Recht besonders qualifizierter Professoren/Professorinnen verringern sollte. Diese Differenzierung würde zur Folge haben, dass auch an den Universitäten Unterschiede vorgenommen werden, wer Dissertationen betreuen und bewerten darf und wer nicht. Bisher fehlt es an Kriterien, um diese Qualifikation zur Beurteilung von Dissertationen festzustellen.

Bei den möglicherweise betroffenen Uniprofessoren/-professorinnen kommen schon jetzt Befürchtungen auf, ihnen würde zukünftig das Promotionsrecht entzogen. Nicht wenige Unipräsidenten befürchten auch, diese Differenzierung würde die Struktur der deutschen Universitäten in ihren Grundfesten erschüttern und bringe die Forschung und die Lehre in große Gefahr. Die Wissenschaftsminister der Länder wären klug beraten, sich über das Promotionsrecht an allen Hochschulen noch einmal zu beraten und auf das Promotionsrecht an Fachhochschulen zu verzichten. Der Qualität der Fachhochschulen wird dies keinen Abbruch tun.

*Peter Eckardt ist externer Mitarbeiter am Institut für Berufspädagogik und Erwachsenenbildung der Universität Hannover.

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