Italiens Regierungschef Matteo Renzi stellt die Vertrauensfrage und schafft den Durchbruch für die „Ehe für alle“. Die Homosexuellen-Verbände kritisieren jedoch den Verzicht auf die Stiefkind-Adoption. Regina Kerner* berichtet:
ROM, Samstag 27.02.2016: Der Durchbruch ist geschafft, schon bald wohl werden schwule und lesbische Paare auf italienischen Standesämtern den Bund fürs Leben schließen können.
Nachdem die Einführung der `Homo-Ehe´ in den vergangenen 30 Jahren mehrmals am katholischen Widerstand gescheitert war, hat Regierungschef Matteo Renzi vor der entscheidenden Abstimmung im Senat die Vertrauensfrage gestellt und das Schicksal seiner Regierung daran geknüpft. Die Parlamentskammer stimmte am Donnerstagabend daraufhin mehrheitlich für eine Unione Civile, eine Zivilunion, mit der homo- wie heterosexuellen Paaren alternativ zur herkömmlichen Ehe Rechte und Pflichten eingeräumt werden. Das Gesetz muss noch die zweite Kammer passieren, wo aber keine Probleme zu erwarten sind.
Italien ist das letzte westeuropäische Land, in dem es bisher keine Absicherung für schwule und lesbische Partnerschaften gibt. Mit der Unione Civile sollen Homosexuelle künftig unter anderem den Familiennamen des Partners übernehmen können, Anspruch auf Hinterbliebenenrente und Erbe sowie ein Besuchsrecht im Krankenhaus haben und unterhaltspflichtig sein. Weil es sowohl von katholischen Abgeordneten seiner eigenen Partei PD wie auch vom kleinen konservativen Bündnispartner Neue Rechte Mitte massive Einwände gegen den Gesetzentwurf gab und ein erneutes Scheitern drohte, ließ Renzi sich in letzter Minute auf einen Kompromiss für eine Art „Homo-Ehe light“ ein.
Die von Homosexuellen-Verbänden eigentlich als unverzichtbar erklärte Möglichkeit der Stiefkind-Adoption, also der leiblichen Kinder des Partners, wurde gestrichen. Ein allgemeines Adoptionsrecht war sowieso nicht vorgesehen. Auch gilt, anders als bei der herkömmlichen Ehe, für die Unione Civile kein Treuegebot. „Wir haben eine Revolution gegen die Natur und die Anthropologie verhindert“, erklärte der Parteichef der Neuen Rechten Mitte, Innenminister Angelino Alfano, triumphierend. Renzi schrieb bei Facebook: „Die Liebe hat gesiegt.“ Es sei ein historischer Tag für das Land. Der Regierungschef hatte die Abstriche gegenüber dem ursprünglichen Entwurf sehr pragmatisch verteidigt. „Besser ein Teil jetzt als Alles nie“, argumentierte er. Das Adoptionsrecht müsse ohnehin auch mit Blick auf heterosexuelle Paare diskutiert werden.
Viele Homosexuellen-Verbände sind jedoch enttäuscht und empört. Das Gesetz ignoriere völlig die Existenz und die Bedürfnisse von Kindern homosexueller Paare, kritisieren sie. Für den 5. März planen sie landesweit Demonstrationen.
* Regina Kerner, POLITIK, Frankfurter Rundschau 27./28.02.2016, 8.
So erfreulich die Entwicklung in Italien ist: es ist keine „Ehe für alle“, denn die Ehe bleibt gleichgeschlechtlichen Paaren weiterhin verschlossen.
Wieder einmal gibt es ein Parallelinstitut minderen Rechts.
Von daher hält sich meine Freuden Grenzen und ich würde den Slogan der „Ehe für alle“ nicht verwässern wollen.
Ganz herzliche Grüße,
Axel
Lieber Axel,
dem Ziel „Ehe für alle“ ist die Entwicklung näher gerückt dadurch, dass eine deutliche Mehrheit sich zwar dafür ausspricht, sich jedoch wieder nicht hat durchsetzen können. Der Kampf geht weiter – „landesweite Demo am 5. März“ – wie von den dortigen schwul-lesbischen Verbänden angekündigt!
Den Slogan „Ehe für alle“ hochhalten!
Ben