Hoffnungsfunken: `… keine neuen Siedlungen mehr!´

NEW YORK 23.12.2016: Mit 14 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung verurteilte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Siedlungspolitik der israelischen Regierung und forderte den Stopp der Siedlungsaktivitäten im Westjordanland und Ostjerusalem. Erstmals seit vielen Jahren haben die USA nicht von ihrem Vetorecht Gebrauch gemacht, sondern sich stattdessen der Stimme enthalten und dadurch die Verabschiedung der Resolution begünstigt.

Damit stellte das höchste UN-Gremium fest, dass die auf palästinensischem Gebiet einschließlich in Ostjerusalem nach dem Sechstagekrieg 1967 errichteten Siedlungen „keine rechtliche Gültigkeit“  hätten. „Alle israelischen Siedlungsaktivitäten“ müssten gestoppt werden. Dies sei notwendig, um die im Nahost-Friedensplan vorgesehene Zweistaatenlösung – die Koexistenz eines unabhängigen Staates Palästina mit Israel – zu retten.

Die Zweistaatenlösung gehört seit Jahrzehnten zum Kernstück internationaler Friedensbemühungen für den Nahen Osten. Viele US-Präsidenten, zuletzt Barack Obama, sind dabei aber nicht weitergekommen, auch wegen einer blockierenden israelischen Haltung, zu der der Ausbau von jüdischen Siedlungen gehörte. Das Verhältnis zwischen Obama und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu war auch deswegen nur noch eisig.

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US-Außenminister John Kerry verteidigte das Abstimmungsverhalten der US-Amerikaner. Es sei von einem einzigen Prinzip geleitet, nämlich „die Chance auf eine Zweistaatenlösung zu wahren“, erklärte er. Der scheidende UN-Generalsekretär Ban Ki Moon schlug in eine ähnliche Kerbe. Die Resolution sei „ein bedeutender Schritt“ im Streben nach einer Wiederbelebung der Vision einer Zweistaatenlösung und zeuge von „dringend benötigter Führungskraft“ im Sicherheitsrat, sagte sein Sprecher Stéphane Dujarric.  John Kerry ist besorgt und warnt in einer später veröffentlichten Stellungnahme davor, dass Israel die Resolution missachten und   die Besatzungspolitik fortschreiben und festigen  könnte.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte dazu:

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York hat heute noch einmal mit einer Resolution zum israelischen Siedlungsbau bestätigt, was schon lange die Position der Bundesregierung ist:

Siedlungsbau in den besetzten Gebieten
behindert
die Möglichkeit eines Friedensprozesses und
gefährdet
die Grundlagen der Zwei-Staaten-Lösung.

Ich bin der festen und tiefen Überzeugung, dass nur eine verhandelte Zwei-Staaten-Lösung dauerhaft Frieden bringen und dem legitimen Streben beider Parteien gerecht werden kann.“

Ein Sprecher von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bezeichnete das UN-Votum als einen „schweren Schlag für Israels Politik“.

Menschenrechtsorganisationen lobten die Entscheidung. „Die Enthaltung der USA ist ein begrüßenswerter Schritt weg davon, ein Veto im Sicherheitsrat dafür zu nutzen, um Israel vor Kritik zu schützen“, erklärte der UN-Direktor bei Human Rights Watch, Louis Charbonneau.

Vier Wochen vor seinem Ausscheiden aus dem Amt setzte Obama nun ein diplomatisches Zeichen. Und das, obwohl sein Nachfolger Donald Trump sich dafür ausgesprochen hatte, dass die USA wieder ihr Veto einlegen.

Die ursprünglich von Ägypten eingebrachte Resolution stand eigentlich am Donnerstag [22.12.2016] zur Abstimmung, wurde von Kairo aber in letzter Minute zurückgezogen. In dem seltenen diplomatischen Schauspiel hatte sich Netanjahu an Trump um Hilfe gewandt. Zudem sorgte er dafür, dass Ägypten seinen Text zurückzog. Am Freitag [23.12.2016] teilte die palästinensische UN-Vertretung dann mit, andere Länder brächten ihn zur Abstimmung ein.

Trump kritisiert – im Gegensatz zu Obama – nicht den Bau und Ausbau jüdischer Siedlungen in den palästinensischen Autonomiegebieten. Der designierte Präsident hat sogar angekündigt, einen Unterstützer der israelischen Siedlungspolitik für den Botschafterposten in Israel zu nominieren.

Israel reagierte entrüstet auf die Resolution. Die Regierung werde sich nicht an die Resolution halten, teilte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit. Das Votum sei „schändlich und antiisraelisch“. Netanjahu setze nun auf den künftigen US-Präsidenten Donald Trump. Seine Regierung freue sich darauf, gemeinsam mit Trump die nachteiligen Auswirkungen dieser absurden Resolution zu bekämpfen.

Israel hatte bereits nervös auf die Resolutionsinitiative reagiert, da es nach Angaben aus Regierungskreisen davon ausging, dass die USA sie diesmal nicht mit ihrem Veto verhindern werden. Ein Gewährsmann sprach sogar von einem „schändlichen Zug gegen Israel bei den Vereinten Nationen“, hinter dem Obama und sein Außenminister John Kerry persönlich steckten. „Die US-Regierung hat mit den Palästinensern heimlich hinter Israels Rücken eine extrem antiisraelische Resolution ausbaldowert, die Rückenwind für Terror und Boykotte geben würde und effektiv die Klagemauer zu besetztem palästinensischen Gebiet machen würde“, sagte der israelische Regierungsbeamte.

Danny Danon, Israels UN-Botschafter, bezeichnete die Resolution als „Höhepunkt der Verlogenheit“. Sie setze eine lange Liste an „Anti-Israel-Resolutionen der UN“ fort. „Während Tausende Menschen in Syrien massakriert werden, hat dieses Gremium wichtige Zeit verschwendet“, sagte er.

Donald Trump äußerte sich wie so oft per Twitter und ließ erkennen, dass Obamas Verzicht auf das sonst übliche Veto bei israelkritischen Resolutionen keinen Einfluss auf seine Nahostpolitik haben werde: „Was die UN betrifft, werden die Dinge nach dem 20. Januar anders sein“, schrieb er. Am 20. Januar wird Trump als Präsident vereidigt.

Eine klare Mehrheit im UN-Sicherheitsrat setzt ein Zeichen und lässt durch den gefassten Beschluss erwarten, dass künftig nicht mehr stillschweigend und tatenlos hingenommen wird, dass im Westjordanland und in Ostjerusalem nur noch  Unrecht und Gewalt den Alltag bestimmen. Dies ist ein beglückender Hoffnungsfunken auf Frieden nicht nur für den Nahen Osten!“

Ben Khumalo-Seegelken.

siehe dazu >> Kommentar: Inge Günther, 30.12.2016

                     >> Bibelkunde: Israel wird sesshaft in Kanaan

3 Kommentare zu diesem Artikel bisher »

Kommentare zu »Hoffnungsfunken: `… keine neuen Siedlungen mehr!´«

  1. Die UN-Resolution gegen die israelische Siedlungsexpansion ist ein Paukenschlag der internationalen Diplomatie. Die schrillen Reaktionen aus Jerusalem zeugen davon, dass dieser überfällige Beschluss anders als bisherige Ermahnungen, die Netanjahu-Regierung aufgescheucht hat. Allzu lange betrachtete sie es als Gewohnheitsrecht, dass Washington im UN-Sicherheitsrat schon abbiegen würden, was ihr nicht passt. Diesmal spielte Barack Obama nicht mit.
    Umso gereizter zieht Premier Benjamin Netanjahu sämtliche Register und straft die Staaten im höchsten UN-Gremium diplomatisch ab. Darüber hinaus ist der Drang unter den israelischen Nationalrechten stark, jetzt erst recht den Siedlungsbau voranzutreiben.
    Für Palästinenser zählt, dass das Votum rechtliche Schritte gegen Israel bis hin zu einer Klage vor dem internationalen Gerichtshof ermöglichen könnte. Bis Den Haag ist es weit, der Weg lässt sich blockieren.
    Die Resolution wird auch ein US-Präsident Donald Trump nicht so leicht rückgängig machen können. Auf seine letzten Amtstage hin hat Obama die Weichen im Nahost-Konflikt neu gestellt. Hinter Netanjahus Empörung steckt seine Angst, dass die Resolution nicht der letzte Schluss vor den Bug seiner Siedlungspolitik war.
    Inge Günter.

  2. Den seit fast 50 Jahren anhaltenden Bau von Siedlungen, mit dem der Staat Israel eine schleichende Annexion des Westjordanlandes betreibt, hat nun der UN-Sicherheitsrat als das bezeichnet, was er ist: völkerrechtlich illegal. So sieht es auch die Bundesregierung, so sieht es auch die EU. Vier ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat haben der Resolution zugestimmt, also auch Großbritannien und Frankreich.

    Schon 2004 war der Internationale Gerichtshof zum selben Ergebnis gekommen. Wenn sich der Staat Israel weiterhin außerhalb des Völkerrechts und der Menschenrechte stellt, delegitimiert er sich selbst und macht sich zu einem Paria-Staat.

    Leider kommt diese UN-Resolution 20 Jahre zu spät. Alle, die die Situation vor Ort kennen, wissen, dass sich inzwischen auf jedem zweiten Hügel eine völkerrechtswidrige Siedlung befindet. Insgesamt wohnen merh als 700 000 jüdische Israelis in diesen Siedlungen, die zum Teil wie Ariel oder Maale Adumim mittelgroße Städte sind. Israel versucht durch facts on the ground der Welt auf der Nase herumzutanzen. Die gut organisierte Israel-Lobby verunglimpft alle, die dies kritisieren, ohne jedes Argument als Antisemiten.

    Martin Breidert, Bad Honnef

  3. Die Resolution 2334 zu den israelischen Siedlungen im Westjordanland, Ostjerusalem und den Golanhöhen und John Kerrys Rede basieren auf dem Völkerrecht, insbesondere auf Artikel 49 der 4. Genfer Konvention. Darin heißt es: „Zwangsweise Einzel- oder Massenumsiedlungen sowie Deportationen von geschützten Personen aus besetztem Gebiet nach dem Gebiet der Besetzungsmacht oder dem irgendeines anderen besetzten oder unbesetzten Staates sind ohne Rücksicht auf ihren Beweggrund verboten. … Die Besetzungsmacht darf nicht Teile ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet deportieren oder umsiedeln.“

    Obwohl diese Regelunge des Völkerrechts eindeutig sind, konnte Israel sie ignoriere, weil es keinerlei Konsequenzen in Form von Sanktionen für deren Missachtung gab und weiterhin gibt. Für Israel sollen eben andere Maßstäbe gelten, als etwa für Russland, das die Krim annektierte.

    Siegfried Ullmann, Alfter.

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