Von Hoyerswerda nach Bautzen und … …

Hass auf Mitmenschen – `Fremdenhass´ – befindet sich in Deutschland auf dem Vormarsch. Zu diesem ernüchternden Urteil kommt, wer sich die Entwicklung der vergangenen 25 Jahre anschaut. In einem Leitartikel einer überregionalen Tageszeitung nimmt Christian Bommarius* Stellung und schlussfolgert:

FRANKFURT/M 17. September 2016: Vor 25 Jahren hat in der sächsischen Stadt Hoyerswerda für einige Tage der Mob regiert. Am 17. September 1991 belagerten Rechtsextremisten tagelang ein Asylbewerberheim, Anwohner applaudierten dem Pöbel, die Polizei begnügte sich damit, 230 Vietnamesen und Angolaner aus der Stadt zu bringen. Bis heute gilt Hoyerswerda international als ein Symbol – es gibt auch andere wie Rostock-Lichtenhagen – eines wieder erstarkten Rassismus im vereinten Deutschland zu Beginn der 90er Jahre.

Bautzen droht 25 Jahre später zu einem Symbol – auch hier gibt es andere wie Heidenau – eines in Deutschland längst etablierten Rassismus zu werden. Der Mob, der dort vor einigen Tagen Flüchtlinge vor sich hertrieb – die Frage, wer die erste Flasche geworfen und wer als Erster zum Messer gegriffen hat, ist hier bedeutungslos –, kommt seit Wochen immer wieder auf einem Platz in der Innenstadt zusammen, die sogenannte Platte ist inzwischen eine touristische Attraktion für sächsische Rechtsextremisten.

Bundespräsident beleidigt

In den vergangenen fünf Monaten musste die Polizei zu mehr als 70 Einsätzen ausrücken. Die Stadt entwickelt sich zum Aufmarschgelände der Rassisten. In Bautzen ging im Februar ein als Flüchtlingsunterkunft geplantes ehemaliges Hotel in Flammen auf, angeblich unter dem Beifall Schaulustiger. Wenig später wurde der Bundespräsident, der mit Bautzener Bürgern über die Flüchtlingspolitik reden wollte, von Demonstranten bedroht und als „Volksverräter“ – ein in der Alternative für Deutschland (AfD) und bei Pegida beliebter Begriff – beleidigt.

Zwischen den Nachbarorten Hoyerswerda und Bautzen liegen mehr als 36,2 Kilometer Bundesstraße und auch mehr als die 25 Jahre, die seit dem Aufmarsch der Rechtsextremisten im September 1991 vergangen sind. Schon damals war es falsch, Xenophobie und Rassenhass für ostdeutsche Sonderbefindlichkeiten zu erklären und die Gewalttaten als Exzesse eines nur lokalen Mobs.

Schon damals machte der Hass auf die Fremden nicht an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze halt, schon damals lag Mölln, wo Ende 1992 zwei türkische Mädchen und deren Großmutter bei einem Brandanschlag ermordet wurden, in Schleswig-Holstein. Zwar ist nicht zu übersehen, dass Sachsen inzwischen eine Hochburg des Rassismus ist, selbst die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) räumt es ein, und die Statistik bestätigt es: Die Zahl rechts motivierter und rassistischer Angriffe auf Asylbewerber, Helfer und Ehrenamtliche stieg im vergangenen Jahr um 86 Prozent auf 477 Taten.

Aber das Bestürzende an den Nachrichten aus Bautzen ist, dass sie in einem gesellschaftlichen Klima entstanden sind, in dem Rassismus und Fremdenfeindlichkeit selbst in bürgerlichen Kreisen großen Zuspruch erhalten und eine Partei gefunden haben, die zum Programm erklärt, was der besoffene Mob auf der „Platte“ in Bautzen grölt.

Wenn Spitzenfunktionäre der AfD die Ansicht vertreten, im Ernstfall Flüchtlinge, auch Frauen und Kinder, an der Grenze erschießen zu lassen, wenn die Vorsitzende das Wort „völkisch“ – Zentralbegriff des Nationalsozialismus – rehabilitieren will, dann dürfte es nicht mehr lange dauern, bis diese Partei – die inzwischen in neun Landtagen sitzt – sich zum parlamentarischen Arm der Bewegung auf den Straßen Bautzens erklärt.

Es heißt, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit hätten inzwischen „die Mitte der Gesellschaft“ erreicht. Aber richtig müsste es lauten:

Die `Mitte´ der Gesellschaft, zumindest immer größer werdende Teile, sind beim Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit angekommen, sie haben sich, von der AfD befeuert, in atemberaubendem Tempo darauf zubewegt.

Wer sieht, aus welchen Parteien (fast allen) und aus welchen Schichten (allen) die `Alternative für Deutschland´ Zulauf bekommt, der weiß, dass die Anhänger von ihrer Partei keine Wahrnehmung ihrer Interessen verlangen, kein ausgetüfteltes Programm zur Steuer-, Wirtschafts-, Bildungs- oder Sozialpolitik, sondern ein einziges Wort: nein! Nein zu Flüchtlingen, nein zu `Fremden´, nein zu Muslimen, nein zur Liberalität, nein zu Menschenrechten, nein zum Rechtsstaat und nein zur Demokratie – aber nicht unbedingt ein Nein zu der Hetzjagd auf minderjährige Flüchtlinge in Bautzen.

Dazu äußerte sich die AfD-Fraktion im sächsischen Landtag mit den Worten: „Es ist mehr als nachvollziehbar, wenn sich nun die Bürger in den sozialen Medien zur Wehr setzen, weil sie keine Lust auf mexikanische Verhältnisse wie in Bautzen haben.“ Die AfD weiß, was sie ihren Wählern schuldig ist.

Von Hoyerswerda nach Bautzen. Ein Blick auf den Weg, den die deutsche Gesellschaft in den vergangenen 25 Jahren zurückgelegt hat, sieht natürlich auch Ermutigendes, aber er wird nicht übersehen, dass der `Fremdenhass´  sich auf dem Vormarsch befindet.

*Christian Bommarius, Leitartikel, Frankfurter Rundschau, 17./18.09.2016, Seite 11.

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Kommentare zu »Von Hoyerswerda nach Bautzen und … …«

  1. Bestürzend hierbei, dass „etablierte“ Parteien inzwischen versuchen, die Positionen der AFD auf rechter Spur zu überholen…

    Es fehlt ein gesellschaftlicher Konsenz auf breiter Ebene, dem braunen Spuk entschieden zu widersprechen! Wehret den Anfängen!

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