Barack Obama ist der erste amtierende US-Präsident, der die Titelseite eines Schwulenmagazins ziert
von Tobias Peter
Ultrakonservative in den Vereinigten Staatenwerden Barack Obama jetzt unbedingt voller Anerkennung auf die Schulter klopfen. Doch das Schwulenmagazin „Out“ möchte es ausdrücklich als Ehrung verstanden wissen, dass es ein Bild des US-Präsidenten auf seine Titelseite gehoben hat. Es kürte Obama zum „Verbündeten des Jahres“, weil er sich für die gleichgeschlechtliche Ehe stark gemacht habe. Es sei das erste Mal, dass ein amtierender US-Präsident für das Cover eines solchen Magazins fotografiert wurde, „ein historischer Moment an sich“, verkündete die Redaktion stolz.
In einem Grundsatzurteil hat der oberste Gerichtshof die Homo-Ehe Ende Juni landesweit für legal erklärt. „Schwule und Lesben haben nun das Recht zu heiraten, wie alle andere auch“, schrieb Obama nach dem Urteil auf dem Internetdienst Twitter –versehen mit dem Zusatz: „Die Liebe gewinnt!“
Das Magazin „Out“ würdigte nun, wie wichtig Obamas Unterstützung schon vor dem Urteil gewesen sei. Anders als seine Vorgänger Bill Clinton und George W. Busch habe Barack Obama sich in der brisanten Frage eingesetzt.
Das ist richtig – einerseits. Andererseits ließe sich auch durchaus argumentieren, dass Obama erst dann eindeutig umgeschwenkt ist, als er den Zeitgeist schon auf seiner Seite wähnte.
Den Sinneswandel hätten seine Töchter Malia und Sasha ausgelöst, sagte er damals
Aus dieser Perspektive unterscheidet sich seine Rolle nicht so sehr von der des Demokraten Bill Clinton, der sich sorgte, zu viel Einsatz für Homo-Rechte könne ihn Wählerstimmen kosten. Clinton, der von 1993 bis 2001 Präsident war, hob zwar den Bann gegen schwule Soldaten in der US-Armee auf, führte dort dafür aber die verlogene Regel „Don’t ask, don’t tell“ ein. Also: Schwul sein ja, aber bitte bloß nicht dazu stehen!
Noch in seiner mitreißenden „Yes, we can!“-Kampagne, mit der Obama acht Jahre nach Clinton ins Amt des Präsidenten kam, vermied er es, sich für die volle Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen zu positionieren. Diese Haltung änderte er erst im Wahlkampf für seine Wiederwahl.
Jim Obergefell war der Hautkläger, der sich durch die Instanzen gekämpft hat
Den Sinneswandel hätten seine Kinder ausgelöst, sagte er damals. Seine Töchter Malia und Sasha hätten schlicht und einfach nicht nachvollziehen können, dass die gleichgeschlechtlichen Eltern von Freunden anders behandelt werden sollten als etwa er selbst und seine Ehefrau, die First Lady Michelle Obama.
Obama hat also für die Homo-Rechte gekämpft – aber mit voller Kraft erst dann, als er glaubte, die Schlacht auch gewinnen zu können. Denn die gesellschaftliche Haltung hat sich in den USA über die Jahre laut Umfragen immer mehr zugunsten der Homo-Ehe verschoben.
Das Urteil des Obersten Gerichtshof bildete, als es fiel, also eine Mehrheitsmeinung der Bevölkerung ab. Die Ehre, für dieses historische Urteil auf dem Cover eines Magazins geehrt zu werden, steht eigentlich nicht unbedingt Obama zu. Und übrigens auch nicht zuallererst den Richtern – sondern einem Mann namens Jim Obergefell.
Er war der Hauptkläger, der sich durch die Instanzen gekämpft hat. Obergefell wollte als Witwer seines verstorbenen Partners John Arthur anerkannt werden. Präsident Obama gratuliert ihm zu dem Sieg vor Gericht, der nun auch so vielen anderen in den USA hilft.
aus: FrankfurterRundschau (FR), 12.11.2015, Seite 40
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