… mal wieder – genau so weiter!

Die CDU/CSU ist zerrissen wie selten. Damit sind Angela Merkels und Horst Seehofers Parolen von `Zusammenhalt´ und `Heimat´ alles andere als glaubwürdig. Daniela Vates* berichtet und kommentiert:

Aus der ersten Woche dieser neuen Regierung gibt es ein Bild, das hängen bleibt: Die alte und neue Bundeskanzlerin Angela Merkel hält ihre erste Regierungserklärung und – ihr direkt gegenüber – blättert CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt demonstrativ durch irgendwelche Papiere. Meine Akten, nicht meine Regierungschefin – das war das Signal der kleinen an die große Unions-Schwester. Schon nach wenigen Tagen ist damit die Bruchlinie der neuen großen Koalition wie mit einem Leuchtstift markiert. Und wie in der letzten Wahlperiode stehen keine politischen Konkurrenten gegeneinander, sondern Parteien, die zumindest von sich behaupten, zur selben Familie zu gehören. Die CDU/CSU [– „die Union“ -] wird sich damit nicht nur selber schaden, sie untergräbt damit auch weiter das, was sie eigentlich vorgibt zurückgewinnen zu wollen: das Vertrauen der Bürger.

Die neue Regierung wolle für den Zusammenhalt der Gesellschaft sorgen, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch CSU-Chef Horst Seehofer hat das am Freitag noch mal betont in seiner ersten Bundestagsrede als Bundesinnenminister. Emotional aufgeladene Debatten müssen befriedet, Ängste abgebaut werden. Das klingt wie Hohn nach diesen ersten Tagen der Regierung, in denen die CSU den Islam zur unerwünschten Religion erklärte und damit zum ersten großen Thema der neuen Koalition einen wenig versöhnlichen Ton setzte. Es ist ein Ton, der auch schon in den Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen erklang: Konzilianz war nun wirklich alles andere als das Programm der CSU. Und Kompromiss ist auch jetzt nicht: Es steht jetzt Merkel gegen Seehofer, mal wieder. Kein „Weiter so“? Seehofer sagt, die Regierung stehe für diesen Aufbruch. Die Union aber macht es anders, nämlich genau so weiter.

Das ist einigermaßen erstaunlich: Schließlich war das Aufatmen bei beiden Partien vernehmlich, als sich Horst Seehofer und Angela Merkel nach zwei Jahren erbitterten Streits im Oktober endlich zu einem Kompromiss in der Flüchtlingspolitik durchrangen. Die Auseinandersetzung habe zu lange gedauert, sie sei auch zu hart gewesen, wurde in CDU wie CSU eingeräumt. Dass auch das zum schlechten Ergebnis der CDU/CSU bei der Bundestagswahl beigetragen hat, gilt als unbestritten. Es war ja keine muntere Sachdebatte mehr, die da geführt wurde. Es sprachen sich vielmehr zwei Seiten gegenseitig die Zurechnungsfähigkeit und den politischen Durchblick ab. Wenn sich zwei Bergsteiger an einer Stellwand fortwährend gegenseitig anrempeln, ist es kein Wunder, dass sie den Gipfel nicht erreichen. Es ist eher ein Wunder, wenn sie nur taumeln und nicht abstürzen.

Erklärungen lassen sich dafür finden, besser wird die Lage dadurch nicht. Es überlagern sich mehrere Ebenen. Es geht um Schwerpunkte, Stil und Personen, um Strategie und Macht. Es geht gegen die AfD, gegen Merkel und gegeneinander. Es geht darum, wer künftig in der CSU das Sagen hat und wer in der CDU/CSU. Es geht auch um Lautstärke und Differenzierung. Weil sich so viele Ebenen überlagern, wird eine Lösung schwierig.

Zunächst ist da die bayerische Landtagswahl im Herbst, die die CSU gerne wieder mit absoluter Mehrheit gewinnen will. Das macht sie schon in normalen Zeiten zum ichbezogenen Partner, der auch in einer Bundesregierung primär nach Bayern schaut. Dazu kommt der Kampf um den besten Platz in der ersten Reihe der CSU, den Markus Söder, Horst Seehofer und Alexander Dobrindt als Wettbewerb um den Titel des besonders harten Hundes führen, der nun mal das Standardmodell der CSU ist. Negative Erfahrungen wie der Rückschlag bei der letzten Europawahl, bei der der harte Hund Peter Gauweiler heiß, sind ganz offenkundig verdrängt worden. Und weil sich Merkels Amtszeit dem Ende zuneigt, gewinnt der erste Platz der CSU noch weiter an Attraktivität. Es entscheidet sich in den nächsten Jahren schließlich auch der Kurs der gesamten CDU/CSU.

Es geht dabei um die Frage, wie viel AfD die Union verträgt – oder vielmehr, welchen Teil der AfD. Es geht um die Frage, ob es der AfD eher nutzt oder schadet, wenn die CDU/CSU ihren Missmut und ihre Kassandrarufe übernimmt. Die CSU-Spitze hat da vor allem auch in der Tonlage weniger Berührungsängste als die CDU-Spitze.

Man hat sich gegenseitig eigentlich nur deswegen untergehakt, um zu verhindern, dass der andere vorankommt.

Auflösen lässt sich dieser Konflikt kaum. Zu verbissen wird er ausgetragen, zu tief sitzen das gegenseitige Misstrauen und die Enttäuschung. Man hält sich gegenseitig für unverschämt und unerträglich – Merkel hat das deutlich gemacht, indem sie der CSU in ihrer Regierungserklärung deutlich Grenzen setzte. Die Entfremdung der Schwesterparteien geht aber mittlerweile weit über Merkel und Seehofer hinaus, auch wenn es in beiden Parteien je einen Flügel gibt, der dem oder der anderen Vorsitzenden zuneigt. Die Wunden, die man sich gegenseitig geschlagen hat, wurden nur aufs Notdürftigste verbunden. Man hat sich gegenseitig eigentlich nur deswegen untergehakt, um zu verhindern, dass der andere vorankommt. Von Geborgenheit, Zusammenhalt und Heimatgefühl brauch eine solche Partei dann erst mal nicht zu reden. Sie hat ein ganz anderes Problem: das der eigenen Glaubwürdigkeit.

*Daniela Vates, Frankfurter Rundschau, 24.03.2018, Seite 13.

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