Zum Tod des Jazztrompeters Hugh Masekela, der eine politische Stimme war, schreibt Johannes Dieterich*:
JOHANNESBURG, 24.01.2018: „Er hat gelebt, und wie!“ sagt Kwaito-Star Zakes Bantwini, als er im südafrikanischen Rundfunk auf die Nachricht vom Tod Hugh Masekelas reagiert: „Sein Leben war so prall gefüllt wie ein Lexikon.“ Ein Musiker nach dem anderen meldet sich bei der Radiostation, um dem verstorbenen Jazz-Trompeter Tribut zu zollen: Noch mehr als die mitreißenden Töne aus seinem „Horn“ – die hier ohnehin jeder kennt – werden dabei sein ansteckender Humor, die unbändige Lebenslust und sein gesellschaftliches Engagement gefeiert. Der „Vater des südafrikanischen Jazz“ ist tot: Doch die Legende lebt weiter.
Schon nach der Lektüre des ersten Kapitels der Masekela-Autobiografie „Still Grazing“ sei ihm die Kinnladeruntergefallen, erzählt Musikproduzent Loyiso Bala: „Lies weiter, das ist noch gar nichts“, habe ihm Masekela damals erwidert. Der 1939 geborene Junge wuchs in dem berüchtigten Johannesburger Künstler- und Ganoven-Viertel Sophiatown auf, wo er als 15-Jähriger den Kinofilm „Young Man With a Horn“ über den US-Trompeter Bix Beiderbecke sah. Bereits am Ende der Vorführung war klar: „Ich wollte hier und jetzt Trompetenspieler werden“, erinnert sich Masekela. Falls er verspreche, sich von Verbrechern fernzuhalten, werde er ihm ein Horn verschaffen, versprach der in Sophiatown tätige Pastor und Anti-Apartheidskämpfer Trevor Huddleston – und organisierte ein Instrument, das kein anderer als Louis Armstrong gestiftet hatte. Dermaßen ausgerüstet, startete Masekela seine Karriere: Schon wenige Jahre später trat er mit Miriam Makeba und den Manhattan Brothers im Kultmusical „King Kong“ auf.
Das Massaker in Sharpeville 1960 machte dem afrikanischen Bebop-Jazzer allerdings deutlich, dass im Apartheidstaat kein Platz für ihn war: Mit Unterstützung ausländischer Musiker setzte er sich in die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) ab. Unter den Fittichen von Miles Davis, John Coltrane und Harry Belafonte fand Masekela schnell Boden unter den Füßen: 1967 trat er neben Janis Joplin, The Who und Jimi Hendrix beim Monterey Pop Festival auf, ein Jar später landete er mit „Grazing in the Gras“ einen eigenen Welthit.
Er geht ist USA-Exil; als Heimkehrer ist er umjubelt
Allmählich bekam er allerdings auch die Folgen seines Lebenshungers zu spüren: Zum exzessiven Alkoholkonsum, an den er sich bereits in Südafrika gewöhnt hatte, gesellte sich noch das regelmäßige Schnupfen des weißen Puders in den Hippie-Paradiesen. „Ich hatte mein Leben mit Drogen und Alkohol zerstört und kriegte bald weder eine Band zusammen noch einen Gig auf die Reihe“, schreibt Masekela in seiner Autobiografie.
Außerdem nagte das Heimweh an ihm. 1972 verlässt Masekela die USA, um wenigstens in seinem Heimatkontinent zu leben: In einer Art Pilgerfahrt zieht er von Guinea nach Nigeria, Ghana, Liberia und den Kongo – ans Kap der Guten Hoffnung kann er sich nicht wagen. In dieser Zeit schreibt er seinen wohl eingängigsten Hit: „Stimela“, in dem die Geräusche der zu den Goldminen nach Johannesburg stampfenden Züge der Wanderarbeiter nachgeahmt werden. Merh als zehn Jahre später folgt der Hit „Bring Back Home Nelson Mandela“ – der zu einer Hymne des Anti-Apartheidkampfs wird.
1990 passiert, was Masekela niemals zu träumen gewagt hatte: Nach der Freilassung Nelson Mandelas kann auch er nach Hause zurückkehren. In einer monumentalen Tour reist er mit einer 38-köpfigen Musikertruppe vier Monate lang kreuz und quer durch die Heimat: Hunderttausende von Fans tanzen durch die über fünfstündigen Auftritte des umjubelten Heimkehrers. „Es war die aufregendste Zeit meines Lebens“, erinnerte sich „Bra Hugh“ (Bruder Hugh), wie Masekela zu Hause liebevoll genannt wird: „Es war das pure Vergnügen.“
Obwohl das Apartheidregime endlich besiegt ist, endet das gesellschaftliche Engagement Masekelas nicht: 1997 outet er sich als ehemaliger Abhängiger und startet eine Kampagne gegen den Drogen- und Alkoholkonsum. Politisch macht er mit unorthodoxen Haltungen von sich reden: Er nimmt an einem Groß-Event zu Ehren Nelson Mandelas nicht teil, weil er sich am Personenkult nicht beteiligen will. Den weißen Südafrikanern aber sagt er:
„Sie haben sich nie dafür entschuldigt,
dass sie unsere Frauen, unser Land,
unsere Erde und unsere Bodenschätze
vergewaltigt haben.Sie haben Milliarden an Pfund auf den Rücken der schwarzen Sklaven gemacht, aber niemals etwas zurückbezahlt. … Es ist nichts geschehen und wird wohl niemals geschehen.“
Seit zehn Jahren kämpfte Bra Hugh gegen Prostatakrebs: „Ich versuche jeden Tag, so wie er kommt, zu leben“, sagte Masekela vor einem halben Jahr in einem der selten gewordenen Interviews: „An meinem Vermächtnis zu arbeiten liegt mir nicht. Wenn man damit anfängt, wird man von seinem eigenen Ich verschlungen.“
*Johannes Dieterich, Frankfurter Rundschau, 24.01.2018, Seite 34.
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