Zwischen Aschebergen und Arbeitslosigkeit entstehen kreative Ideen für Upcycling, Arbeitsplätze und eine klimafreundlichere Wirtschaft
Von Leonie March
pdf: Südafrikas langer Weg zum Kohleausstieg
eMalahleni/Südafrika, 09.09.2025: Im Highveld, Südafrikas Kohlerevier, haben Schwertransporter tiefe Fahrrinnen im Asphalt hinterlassen, der Tagebau Kraterlandschaften. Schornsteine, Kühl- und Fördertürme der Kohlekraftwerke ragen aus der flachen Landschaft, unterbrochen von berghohen Deponien. „Lange habe ich sie für echte Berge gehalten“, sagt Frans Tladi Mabogoane. „Damals wussten wir nicht, dass das Sondermüll ist und Ursache vieler Gesundheitsprobleme.“ Der Start-up-Gründer ist in eMalahleni, dem Ort der Kohle, aufgewachsen. ‚“Kohle ist das Rückgrat unserer Stadt“, sagt er. Jeder Arbeitsplatz, jedes Geschäft habe irgendwie mit Kohle zu tun, mit dem Bergbau oder den Kraftwerken.
Im Highveld produzieren ein Dutzend Kraftwerke des staatlichen Stromversorgers Eskom rund zwei Drittel des Stroms für ganz Südafrika. Die Kohle wird rundherum in über 200 Bergwerken gefördert. Südafrika ist der größte CO²-Emittent Afrikas und einer der 15 größten der Welt. Doch die Wende ist geplant: Bis 2050 will das Land klimaneutral sein, ein Gesetz zum Klimaschutz ist in Kraft, der Kohleausstieg hat begonnen.
Im Oktober 2022 ging in Komati das erste Kohlekraftwerk vom Netz. Über 60 Jahre lang hatte der staatlichen Energieversorger Eskom hier Strom produziert. Heute kommt kein Rauch mehr aus dem Schornstein, rundherum rosten die Strommasten, nebenan wächst eine Siedlung aus Wellblechhütten. In der einst geschäftigen Stadt herrscht nur noch vor dem kleinen Supermarkt etwas Betrieb. „Die meisten Familien haben mit einem Schlag ihre Lebensgrundlage verloren“, sagt Carlos Vilankulu. Er ist 35, Sohn eines Kohlearbeiters und hat selbst als ‚Schweißer im Kraftwerk gearbeitet. „Es wurde einfach stillgelegt. Ohne daran zu denken, dass eine ganz Community daran hängt. Eine ganze Wertschöpfungskette.“ Sub-Unternehmer, Dienstleister und auch jene, die vor den Werkstoren Essen verkauft hätten.
Viele Familien verloren ihre Lebensgrundlagen
Die, die geblieben sind, warten nun darauf, dass sich das Versprechen einer sozial gerechten Energiewende erfüllt. Südafrikas Just Energy Transition wird auch von der EU und Deutschland unterstützt – mit Milliarden in Form von Krediten und Fördergeldern. Sie sollen in den Umbau des Stromnetzes fließen, den Aufbau einer grünen Energiewirtschaft und entsprechende Ausbildungsprogramme. Komati soll vom abschreckenden Beispiel zum Vorbild werden. „Wir sollen uns von der Kohle in ein grünes Produkt verwandeln“, sagt Carlos Vilankulu.
Als gewähltes Mitglied des Gemeinde-Komitees will er dafür sorgen, dass seine Community diesmal mit einbezogen wird, wenn es um ihre Zukunft geht. Es gibt erste Workshops, Umschulungsprogramme, Pilotprojekte für erneuerbare Energien und Landwirtschaft. Aber oft seien die Pläne schon fertig, kritisiert er. „Dann heißt es: Nehmt sie an oder nicht.“ Dabei wolle nicht jeder in der Landwirtschaft arbeiten, viele hätten technische Berufe und wünschten sich große Produktionsstätten. „Wir könnten Handwerker ausbilden und Betriebe aufbauen, für Windturbinen oder andere Teile für die neuen Stromerzeuger.“
2030 sollen weiter Kohlekraftwerke vom Netz gehen, 2070 das letzte. Jetzt sei die Zeit, in eine klimafreundliche Wirtschaft zu investieren und neue Arbeitsplätze zu schaffen, sagt Frans Tladi Mabogoane. Das Start-up Samanjalo, das er mitgegründet hat, stellt Ziegel- und Pflastersteine aus Abfällen der Kohlekraftwerke her – unter anderem aus Flugasche, feinen Rückständen der verbrannten Kohle. Ein Kindheitsfreund habe die Idee für diese Art Upcycling gehabt, sagt Mabogoane. „Er hat meine Sicht auf die Asche komplett verändert. Früher habe ich darin nur Abfall gesehen, heute sehe ich Gold.“ Auch die Idee, dass die Flugasche ein Bestandteil bei der Zementherstellung sein könne, sei damals geboren worden. Doch sein Freund ist gestorben, bevor die Produktion begonnen hat. Mabogoane führt das Geschäft nun gemeinsam mit seiner Witwe und seinem Sohn weiter.
Neben der Produktionshalle sind feine und grobkörnige Asche zu großen Haufen aufgetürmt. Zeit Mitarbeiter schaufeln sich in Schubkarren. Ein paar Schritte weiter werden Asche und Granulat mit Wasser gemischt und mit einer hydraulischen Presse zu Steinen gepresst. Sie trocknen lagenweise in der Sonne. Es sei ein fantastischer Baustoff mit großem Potenzial, sagt Mabogoane. Sogenannte Geopolymere, mineralische Bindemittel, sind stärke als Beton. „Preiswerter, leichter, stärker. Resistent gegen Feuer und Korrosion, wie durch Säure. Und wasserdicht ist Geopolymer-Zement auch“, sagt er. Damit könnte man nicht nur bauen, sondern auch Dämme mit toxischen Abwässern oder Deponien mit giftigen Abfällen auskleiden. Die Umwelt und das Grundwasser würden besser geschützt. Und die ‚Emissionen lägen fast 80 Prozent niedriger als bei der konventionellen Zementherstellung.
Upcycling-Start-up gegen Arbeitslosigkeit
Das dicke Metallgestell der hydraulischen Presse bewegt sich hoch und runter. Ein junger Mann mit Baseballkappe prüft die Mechanik. Zu Schichtbeginn musste sie erstmal repariert werden, sagt Samkelo Banele Nkabinde, der Sohn des verstorbenen Start-up-Gründers. Und genau heute sei der Ingenieur krank, einer der wenigen Fachkräfte, die für die Produktion notwendig sind. „Von den 14 Angestellten sind die meisten einfache Arbeiter. Sie brauchen einen starken Rücken, eine breite Brust und die richtige Arbeitseinstellung, aber keine besondere Ausbildung.
Mit 23 Jahren ist Nkabinde fürs operative Geschäft zuständig und trägt große Verantwortung. Er brennt dafür, den Traum seines Vaters wahr werden zu lassen. „Ich bin begeistert von den jungen Leuten, die bei uns angestellt sind. Angesichts von allem, was in den Communitys passiert, ist es inspirierend, hier junge Leute bei der Arbeit zu sehen“, sagt er. „Mich selbst eingeschlossen.“ Es gebe in dieser Region nicht viele Chancen und Möglichkeiten, selbst für Leute mit einem Universitätsabschluss. „Dass wir hier selbst etwas gegen die Arbeitslosigkeit tun, ist wirklich aufregend“, sagt Nkabinde. Landesweit liegt die Arbeitslosenquote der unter 35-Jährigen bei fast 44 Prozent.
Zwei Mitarbeiter nehmen die Palette mit frischgepressten Steinen vom Fließband und schleppen sie zum Trocknen in die Sonne. Der Sohn und der Freund des Gründers stehen nun etwas abseits und besprechen ein paar geschäftliche Dinge. Die beiden Familien haben das Unternehmen zum größten Teil selbst finanziert. Aus den milliardenschweren Töpfen für die sozial gerechte Energiewende sei kein Geld geflossen, sagt Mabogoane. Aber „Wir sind ein Teil davon, weil wir es machen. Wir sitzen mit in den Konferenzräumen, weil die Leute darüber reden, was wir tun. Aber handfeste Unterstützung oder Förderung haben wir nie bekommen“.
Bewerten möchte er das nicht. Stattdessen betont er die Mitverantwortung dafür, das Ruder herumzureißen und selbst auf eine grünere Wirtschaft zuzusteuern. „Komati ist schon geschlossen. Was wird aus eMalahleni? Wir müssen jetzt beginnen, damit der Übergang reibungsloser verläuft und die neue Wirtschaft boomt, wenn auch hier Berg- und Kraftwerke schließen.“ Er lässt seinen Blick auf einem der Deponieberge ruhen, den er als Kind für einen echten Berg gehalten hatte. Jetzt sieht er darin Rohmaterial für eine grünere Zukunft.
aus: Frankfurter Rundschau [FR|Klima], 10.09.2025, Seite 15
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