KUNST aus Südafrika in Frankfurt/M

Charles Nkosi_Bad News_1985

Intensive Bilder aus Südafrika: Die Schau „A Labour of Love“ im Weltkulturen Museum Frankfurt/M* versammelt Werke schwarzer Künstler aus den 80er Jahren des Landes.

Im Jahr 1986 stattete der Frankfurter Museumsdirektor Josef Franz Thiel den Pfarrer Hans Blum mit 100 000 DM aus und beauftragte ihn, in Südafrika Werke zeitgenössischer schwarzer Künstler anzukaufen für sein Haus, das damals noch Völkerkundemuseum hieß. Damit tat er einen außergewöhnlichen Schritt, denn ob das Sammeln moderner Kunst eine Aufgabe der Völkerkunde sein solle, war damals umstritten – und ist es durchaus bis heute.

In Südafrika herrschten zudem gefahrvolle Zeiten: Seit Juli 1985 galt im Land der Ausnahmezustand, schon eines „falschen“, nämlich als politische Stellungnahme empfundenen Bildes wegen konnte man verhaftet und weggesperrt werden. Blum, der mit dem Land wie mit Künstlern bereits vertraut war, kaufte trotzdem 600 Arbeiten an und expedierte sie nach Frankfurt/M.

Aus diesem Fundus schöpft erstmals seit 1987 wieder (damals gab es die Ausstellung „Botschaften aus Südafrika“) eine Schau mit 150 ausgewählten Werken: „A Labour of Love. Kunst aus Südafrika – Die 80er jetzt“ lautet der Titel. Kuratorinnen sind die südafrikanische Künstlerin Gabi Ngcobo und die Forschungskustodin Yvette Mutumba, auch vier südafrikanische Studenten von der Wits School of Arts sowie der Künstler Sam Nhlengethwa sind eingebunden und haben für Frankfurt neue, auf die ältere Kunst reagierende Arbeiten geschaffen. Ein feiner Dialog ist entstanden.

Aber die Wucht des Auftritts auf zwei Stockwerken des Weltkulturen-Haupthauses haben natürlich die Werke der 80er Jahre – nicht nur, aber auch wegen ihrer schwarz-weißen Expressivität. Die Entscheidung für den Linolschnitt war häufig keine künstlerische: Es fehlte das Geld für Farben, auch waren schwarzen Künstlern die staatlichen Ausbildungsstätten verschlossen. In einem kirchlichen Kunst- und Handwerkszentrum wie Rorke’s Drift, nahe Drakensberge, aber wurden immerhin druckgraphische Techniken gelehrt.

Im Überlebenskampf

Ein Raum der Ausstellung ist dem finanziellen und politischen Überlebenskampf der schwarzen Künstler gewidmet. Dort hängen unter anderem Quittungen, die Hans Blum einst erhielt; er zahlte grundsätzlich, was die Künstler verlangten und half ihnen damit, obwohl es gar nicht viel war. Dort hat Lionel Davis’ „Portrait of an Artist“ trübe Augen und Haare wie trockene Ästchen über einer Schädeldecke, die man auch für geöffnet halten kann. Dort blickt Davis, der sieben Jahre auf Robben Island inhaftiert war, auf dem Linolschnitt „Confined“ durch ein Guckloch. Dort präsentiert Joseph Madisia mit „The Beggar’s Prayer“ ein zerberstendes, zerfurchtes, gequetschtes Gesicht.

Als „narrative Ausstellung“ (Yvette Mutumba) ist „A Labour of Love“ konzipiert, es geht etwa um die Bereiche Politik, Engagement, Ökonomie, Religion, Emanzipation. Zwei prägende Künstler werden herausgehoben, Sam Nhlengethwa und John Muafangejo (1943-1987), dessen Linolschnitte auch Alltag abbilden und seine eigene Missionierung beleuchten. Der krassen Benachteiligung von Frauen sowohl in der südafrikanischen Gesellschaft wie beim Ankauf (nur zwei Künstlerinnen sind in der Sammlung vertreten, Noria Mabasa und Sophie Peters) begegnen die Ausstellungsmacherinnen notdürftig mit einem Raum, der von Männern gemachte Abbilder starker Frauen zeigt.

Mit Szenen der Gewalt, auch von der 1960 geborenen Sophie Peters („Prisoner in Africa“ zeigt eine Auspeitschung), startet der Rundgang. Als schwarzer Vogel stößt die Verzweiflung eines Menschen in Einzelhaft auf Peter Clarkes Collage „Solitary Confinement“ herunter. In höchstem Maße bewegt, ein schwarz-weißes Getümmel, sind Radierungen Derrick Mdandas, „Confrontation“ oder „Don’t shoot the youth“. Allgegenwärtig sind Gesten des Entsetzens oder der Trauer, der Linolschnitt setzt tiefe Furchen in die Gesichter.

Die Verheerungen der Seele bildete der früh verstorbene Cyprian Shilakoe ab, Geister, Gespenster, Tote, Angstgeschüttelte sind auf seinen Bildern unterwegs. Er soll Hans Blums Lieblingskünstler gewesen sein, und in der Tat sind seine Arbeiten von flirrender, beunruhigender Intensität.

Aber ohnehin ist die nun im Weltkulturen Museum gezeigte eine deutlich sprechende, ja stürmische Kunst. Sie möchte – wie sollte es in den 80ern in Südafrika anders sein – Stellung beziehen, Aussagen treffen. Keine Landschaft ruht still, auch nicht auf den farbigen Bildern. Bunt, doch gedrängt sind Hütten und Menschen bei Sam Nhlengethwa, „Unrest in Township“ etwa; er selbst stellt ihnen aktuelle Collagen gegenüber: Graue (Hochhaus-)Bauten, darauf Apartheids-Schilder wie „Non-Europeans + Goods“, dazwischen eilige, vereinzelte Menschen.

Hans Blum war als Kunst-Enthusiast, nicht als Kenner unterwegs, er scheint trotzdem eine gute Auswahl getroffen zu haben. Nicht wenige der Künstler machten sich in der Nach-Apartheid-Zeit einen Namen – konnten ihn sich erst dann machen.

So wichtig es ist, dass das Museum all diese Arbeiten aus seinem Fundus holte, dass es sie dann in einer wahren Liebesarbeit durchdacht zusammenstellte, zum Teil von jungen Künstlern kommentieren ließ, so berechtigt ist doch auch die Frage, ob der richtige Platz für afrikanische Künstler nicht in einem Museum für moderne Kunst oder einem Kunstverein wäre. Dort sind sie auch übrigens glücklicherweise nicht mehr so rar wie einst.

*Weltkulturen Museum, Frankfurt: bis 24. Juli 2016. www.weltkulturenmuseum.de

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