Architektur für alle: Durban 2014

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Der Bericht der Journalistin Gabriele Detterer in einer überregionalen Zeitung über den 25. Architektur-Weltkongress, der Mitte August 2014 in Durban, Südafrika, stattgefunden hat, hebt hervor, dass die Städte und Wohnorte Südafrikas ihre Schönheiten, aber auch ihre Schattenseiten haben; Architektinnen und Architekten aus aller Welt tauschten sich mit ihren südafrikanischen Kolleginnen und Kollegen über Entwürfe und Modelle, die gemeinschaftsförderndes Wohnen und Leben in den Vordergrund treten lassen. Könnte dies bedeuten, dass die Überwindung der allgegenwärtigen „Apartheid-Architektur“ nun endlich in Gang kommt?

Gabriele Detterer berichtet: „Die reiche Vielfalt des baukünstlerischen Denkens sprenkelt die Weltkarte der zeitgenössischen Architektur heterogen bunt. Diese Realität bündelte das Leitthema «Otherwhere» des 25. Weltkongresses der Union Internationale des Architectes (UIA) und stellte sich damit gegen die rasante Entwicklung hin zu sich angleichenden Formensprachen. Der globalen Banalität zu entkommen, forderte der UIA-Präsident, der Straßburger Architekt Albert Dubler, in seiner Eröffnungsansprache. Für die 5000 Kongressteilnehmer aus rund neunzig Ländern verschwand in Durban das vertraute eigene Terrain, und ferne Gegenden mit ebenso ureigenen Besonderheiten des Planens und Bauens traten in den Vordergrund. Das war schon ein scharfer Schwenk weg vom Höhenrausch boomender Stadtzentren, weg von der Ästhetik gigantischer vertikaler Fassaden, hin zu einem Verständnis von Architektur als interkulturell und sozial orientierter Disziplin, die allen Menschen dient.

Anderswo läuft’s anders

„Drei Unterthemen gliederten das Leitthema und prägten die Debatten: Ökologie, Wertvorstellungen und die zwischen Elastizität und Widerstandskraft oszillierende «Resilienz». Auf dem Feld von Ökologie und Ethik des Bauens agierte Diébédo Francis Kéré als Frontmann innovativer afrikanischer Ökoarchitektur. Der aus Burkina Faso stammende, in Berlin arbeitende und für sein soziales Engagement bekannte Architekt entwarf für sein Heimatdorf Gando eine Schule und weitere Gebäude aus Lehmbausteinen, die ein Musterbeispiel nachhaltigen Bauens in Afrika darstellen. Nicht aufgeben, trotz enttäuschten Erwartungen weitermachen, verlangt Biegsamkeit und Widerstandskraft – oder eben Resilienz. Reich gesegnet mit dieser Gabe ist Cameron Sinclair, Mitbegründer der gemeinnützigen Organisation «Architecture for Humanities». Sinclair schilderte mit dem Überzeugungstalent eines Marketing-Gurus soziale Selbsthilfeprojekte überall in der Welt. Die Kurzformel lautet: Armut wird gemildert, indem man Menschen zu eigenem Tun ermutigt und unterstützt. Wie in einer Trockenzone Indiens das Problem der Wasserknappheit gelöst und Lebensbedingungen verbessert werden können, zeigte Hauptredner Rahul Mehrotra mit seinem Projekt für das Elefanten-Dorf «Hathi Gaon» bei Jaipur.

„Der renommierte Erforscher der «urbanen Revolution» Afrikas, Edgar Pieterse, lenkte das Augenmerk auf den rasanten, konfliktbeladenen Wandel der Metropolen Südafrikas. Dass der dreijährlich stattfindende UIA-Weltkongress (1948 in Lausanne gegründet) erstmals in Südafrika tagte, verband sich für das Gastgeberland mit der Hoffnung auf positive Auswirkungen des Events hin zum Besseren. Sindile Ngonyama, Präsident des Südafrikanischen Architekten-Instituts (SAIA), rief dazu auf, Apartheid-Städte in Orte der Nichtdiskriminierung umzubauen. Denn die vom Apartheidregime raumplanerisch zementierte Segregation sei noch längst nicht überwunden.

„Wie ein stählernes Trenngitter liegen urbane Strukturen gegenseitiger Ausgrenzung über dem Stadtraum. Zwei Dekaden nach Nelson Mandelas friedlicher «Revolution» und dem Ende rassistischer Wohnbaupolitik wird ethnisch gemischtes Wohnen durch eine seit Generationen verinnerlichte Weiss-Schwarz-Stadtgeografie erschwert. Deshalb spielt heute «öffentlicher Raum» eine zentrale Rolle für Demokratisierung und Sichtbarmachung nicht eingelöster Gleichheitsversprechen. Post-Apartheid-Urbanistik zielt darauf hin, im Stadtraum Inseln sozialer Inklusion zu schaffen.

Inseln sozialer Zugehörigkeit

„Unterstützt vom deutschen Goethe-Institut Südafrika entstand in Durban eine solche «Insel» pünktlich zum Auftakt des UIA-Weltkongresses. Rush Hour heißt der Ort. Er besteht aus einem von abgewrackten Autos überdachten Rastplatz an einem Fußweg entlang des Highways von dem Township Cato Manor nach Durban. Viele Kilometer marschieren Menschen täglich in die City und zum Warwick-Markt, da ihnen das Fahrgeld für das Sammeltaxi fehlt. Für sie ist Rush Hour gedacht. Das Berliner Kollektiv «raumlabor» entwarf die Konstruktion und realisierte das Projekt in Zusammenarbeit mit dem lokalen Kollektiv Dala. Der neue Rastplatz ist eine der urbanen «Interface»-Interventionen, die – von Doung Anwaar Jahangeer initiiert – den Pfad der Pendler markieren. Ein Stück weiter in Richtung Stadt gleißt auf dem Flachdach eines Wohnhauses, in dem mittellose Schwarze leben, die Schrift «Everything must shine for me» der Künstlerin Daria Tchapanova. Für wen aber glänzt und glitzert alles?

„Vom Dach des Hauses aus gesehen, leuchtet die Skyline der multiethnischen Millionenstadt im Sonnenlicht. Im Dunst erahnt man den mächtigen Bogen des für die WM 2010 erbauten Stadions (von Gerkan, Marg und Partner). Dahin gelangen die Fußgänger natürlich nicht, sie kommen auch nicht in das Lagerhausviertel Rivertown, das wie ein Rohdiamant bereit liegt, um zu einer Immobilien-Preziose geschliffen zu werden. Jonathan Liebmann heißt der Investor, der die nahe der Goldenen Meile der Strandpromenade gelegene Zone baulich und durch Strukturwandel aufwerten will. An die Geschichte von Rivertown erinnert die historische Beer-Hall, in der es erstmals 1912 [vom damaligen weißen Minderheitsregime der Südafrikanischen Union] behördlich erlaubt war, Bier an schwarze Arbeiter auszuschenken. Die renovierte Halle dient heute als Begegnungsort und Ausstellungsraum. Vorgestellt wird hier ein vom Architekturstudio 26’10 South mit Studenten der Universität Johannesburg durchgeführtes Projekt zur Verbesserung der Wohnsituation in Marlboro South (Johannesburg). Das vom Goethe-Institut unterstützte Projekt will keine fertigen Unterkünfte bereitstellen, sondern die Betroffenen in die Planung einbeziehen. Auch wenn die Unterstützung informeller, planlos wuchernder Hüttensiedlungen ein Ziel der Regierung ist, bleiben einfach zu realisierende bauliche Verbesserungen, so wie sie 26’10 South vorschlägt, in den Fangarmen staatlicher Bürokratie hängen.

Panafrikanischer Diskurs

„Ebenso vom Goethe-Institut gefördert wurde der panafrikanische Workshop «Writing African Architecture». Architekten aus Äthiopien, Côte d’Ivoire, Kamerun, Kenya und Mauritius setzen zusammen mit dem neuen Direktor des Architekturmuseums der TU in München, Andres Lepik, den Dialog fort, den «Afritecture – Bauen mit der Gemeinschaft» (NZZ 18. 10. 13) angestoßen hatte. Gibt es ein Narrativ der gemeinsamen Sinngebung architektonischer Praxis in Afrika? Ein geplantes Ausstellungsprojekt soll, laut Lepik, diese Fragen untersuchen. Eine dringliche Aufgabe jedoch stellt sich allen Ländern des von Problemen der Bevölkerungsexplosion bedrängten und überforderten Kontinents: die Notwendigkeit, hochqualifizierte Architekten und Urbanismus-Experten auszubilden. Auch hierfür sind Resilienz und Selbstorganisation gefordert. Beispielhaft gründete Jean-Jacques Kotto, Teilnehmer des Workshops, 2009 in Yaoundé die erste Architekturhochschule in Kamerun. Architektenausbildung ist ein Politikum, wie Architektur generell, was der UIA-Kongress mit dem Fokus auf ein gesellschaftspolitisch wirksames, multidisziplinäres Baudenken heraushob.“

Quelle: Neue Zuercher Zeitung, 14. August 2014

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